Quantenhonig aus schwarzen Löchern

Überblick

Forscher des Exzellenzclusters ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien haben ein neues Quantenmaterial vorgeschlagen, in dem sich Elektronen als zähe Flüssigkeit – wie eine Art Quantenhonig – fortbewegen. Lässt sich das Material in genügender Reinheit herstellen, wird der Effekt dreimal stärker sein als im „Wundermaterial“ Graphen. Dank des geringen Widerstands dieser Elektronenflüssigkeit könnten sich neue Perspektiven für Mikroelektronik und Speichermedien eröffnen. Zusätzlich können sich Magnetfelder durch die Wirbelbildung in dieser Flüssigkeit präzise ein- und ausschalten lassen. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.   


Professorin Johanna Erdmenger hat langjährige Forschungserfahrung mit der Physik schwarzer Löcher, Professor Ronny Thomale mit der Physik fester Körper. Im Würzburg-Dresdner Exzellenzcluster ct.qmat haben beide Wissenschaftler die theoretischen Grundlagen ihrer unterschiedlichen Forschungsgebiete erstmals kombiniert. So entstanden herausragende Ergebnisse, die der Materialforschung völlig neue Möglichkeiten eröffnen könnten.


Bei der Entwicklung zukünftiger Elektronik betrachten Wissenschaftler vor allem die Transporteigenschaften von Elektronen – mit dem Ziel, Strom schneller und effizienter zu leiten. Schon in den neunziger Jahren entdeckte man, dass sich Elektronen bei bestimmten Temperaturen und Dichten in elektrischen Leitern wie Flüssigkeiten verhalten. Bis dahin ging man davon aus, dass Elektronen sich einzeln durch ein Atomgitter bewegen. Die Forscher des Exzellenzclusters ct.qmat haben nun herausgefunden, dass Elektronen in einem bestimmten Quantenmaterial viel intensiver als bisher bekannt miteinander verbunden sind: „Die Elektronen in unserem Quantenmaterial sind mehr als dreimal stärker miteinander gekoppelt als wir es von Graphen kennen. Die Elektronenflüssigkeit kann man sich also eher wie eine Art Honig vorstellen, dessen Fluss durch das Atomgitter kaum gestört wird. Das Quantenmaterial, in dem dieser Effekt auftreten kann, ist das Mineral ‘Herbertsmithite‘, nur dass die Zink-Atome durch Skandium-Atome ersetzt werden müssten. Wenn das gelingt, hätten wir ein sehr besonderes neues Material, in dem sich sogar Wirbel in der Elektronenflüssigkeit bilden könnten“, erklärt Prof. Johanna Erdmenger, Inhaberin des Lehrstuhls für Theoretische Physik III an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
 
Diese Erkenntnis wurde nur möglich, weil die Forschergruppen der Professoren Erdmenger und Thomale die bisher vollkommen getrennten Theorien zur Quantengravitation und Festkörperphysik kombiniert haben. Hierfür haben die Physiker die Temperatur von schwarzen Löchern („Hawking-Temperatur“) mit der Temperatur von Elektronen im Quantenmaterial gleichgesetzt. Das hat zur ersten konkreten Vorhersage eines Quantenmaterials geführt, bei dem diese Effekte auftreten können: „Scandium-Herbertsmithite“ (Sc-Hb) mit dreiwertigen Skandium-Atomen anstatt zweiwertigem Zink.

Daten & Fakten

18.09.2020

 

Exzellenzcluster ct.qmat
Das Exzellenzcluster ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter (Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien) wird seit 2019 gemeinsam von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der TU Dresden getragen. Mehr als 200 Wissenschaftler aus 29 Nationen erforschen topologische Materialien für die Technik von Übermorgen. Das Exzellenzcluster wird im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert.

 

Abbildung

Gitterstruktur von „Herbertsmithite“ (ZnCu3(OH)6Cl2). Wenn es gelingt, die grauen Zink-Atome durch Scandium-Atome zu ersetzen, werden in diesem Quantenmaterial die Elektronen wesentlich stärker miteinander verbunden sein als in Graphen. Dies kann zu einer neuen Art von elektronischen Bauelementen führen. (Blau: Kupfer, Rot: Sauerstoff, Weiss: Wasserstoff, Grün: Chlor). © Domenico Di Sante
 
Originalpublikation
"Turbulent hydrodynamics in strongly correlated Kagome metals." Domenico Di Sante, Johanna Erdmenger, Martin Greiter, Ioannis Matthaiakakis, René Meyer, David Rodríguez Fernández, Ronny Thomale, Erik van Loon & Tim Wehling. Nature Communications. https://doi.org/10.1038/s41467-020-17663-x  


Ansprechpartnerin für Journalisten
Katja Lesser, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit Exzellenzcluster ct.qmat, Tel: +49 351 463 33496, 
katja.lesser@tu-dresden.de 

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