Supraleitung mit „Zeitgeist": Wenn Materialien Vergangenheit und Zukunft unterscheiden können

Überblick

Was gestern war und was morgen sein wird, sind im Leben eines Menschen zwei unterschiedliche und unabhängige Ereignisse. Anders verhält es sich in der mikroskopischen Physik. Für Elementarteilchen, Atome und Moleküle macht vorwärts oder rückwärts keinen Unterschied. Dabei handelt es sich um die sogenannte Zeitumkehr-Symmetrie.

 

Diese Symmetrie galt lange auch für Supraleiter. Supraleiter sind eine Materialklasse, die bei tiefen Temperaturen verlustfrei elektrische Ströme leiten. Sie können sehr effizient starke Magnetfelder erzeugen und werden daher zum Beispiel in Magnetresonanztomographen (MRT) beim Radiologen eingesetzt. Etwa 99% aller bisher bekannten supraleitenden Materialien sind zeitumkehr-symmetrisch. 

 

Seit einigen Jahren jedoch entdecken Physikerteams neue Supraleiter, die sich nicht zeitumkehr-symmetrisch verhalten. Um diese Beobachtung erklären zu können, musste der seit über 75 Jahren bekannte Mechanismus der Supraleitung in wichtigen Teilen neu durchdacht werden. Die neuartigen Supraleiter können spontan zeitlich stabile Magnetfelder in ihrem Inneren aufbauen, die sie für Anwendungen in Quanten-Computern interessant machen.

 

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Dresdner Physiker Dr. Vadim Grinenko und Prof. Hans-Henning Klauss vom Exzellenzcluster ct.qmat entdeckte nun erstmals diesen neuartigen magnetischen Zustand mit verletzter Zeitumkehr-Symmetrie in der Materialklasse der eisenbasierten Supraleiter. Diese Materialen erweisen sich als vielseitige intermetallische Verbindungen, welche technologisch vergleichsweise einfach herzustellen sind und deshalb ein hohes Anwendungspotenzial haben.

 

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die vor zwölf Jahren entdeckten eisenbasierten Supraleiter weiterhin neue Impulse für die Grundlagenforschung und ein hohes Anwendungspotential liefern“, erläutert Prof. Hans-Henning Klaus.

 

Originalveröffentlichung:
 V. Grinenko , R. Sarkar, K. Kihou, C. H. Lee, I. Morozov, S. Aswartham, B. Büchner, P. Chekhonin, W. Skrotzki, K. Nenkov, R. Hühne, K. Nielsch, S. -L. Drechsler, V. L. Vadimov, M. A. Silaev, P. A. Volkov, I. Eremin, H. Luetkens, and H.-H. Klauss, ‘Superconductivity with broken time-reversal symmetry inside a superconducting s-wave state’, Nature Physics, 10.1038/s41567-020-0886-9.

 

Abbildung: © Hans-Henning Klauss

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Daten & Fakten

18.05.2020

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