So groß wie ein Sandkorn: Erster topologischer Laser aus vertikalen Resonatoren

Überblick

Haifa/Israel und Würzburg, 24. September 2021: Mobiltelefone, Autosensoren und die Datenübertragung in Glasfasernetzen – Mikrolaser (VCSEL-Laser) sind in unserer Alltagstechnologie bereits fest verankert. Dabei haben VCSEL-Bauelemente typischerweise eine winzige Größe von nur wenigen Mikrometern. Das setzt der Ausgangsleistung, die sie erzeugen können, enge Grenzen. Seit Jahren versuchen Wissenschaftler vergeblich, die Leistung solcher Geräte zu erhöhen, indem sie viele winzige VCSEL-Mikrolaser kombinieren – mit dem Ziel, wie ein einziger kohärenter Laser zu agieren. Israelische und deutsche Forscher:innen des Exzellenzclusters ct.qmat – Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien haben nun eine Methode entwickelt, um ein Netzwerk oberflächenemittierender Laser dazu zu bringen, wie ein einziger hocheffektiver Laser zu agieren – in Sandkorngröße. Die Forschungergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Das israelische Team von Prof. Mordechai Segev und das deutsche Team von Prof. Sebastian Klembt und Prof. Sven Höfling haben gemeinsam einen Weg gefunden, die Konzepte der topologischen Photonik für VCSEL-Mikrolaser zu nutzen. Diese Laser strahlen das Licht vertikal, also durch ihre Oberfläche ab. Der topologische Prozess aber, der für die gegenseitige Kohärenz verantwortlich ist, findet in der Ebene des Chips statt. Das Endergebnis ist ein leistungsstarker, aber sehr kompakter und effizienter Laser, der in der Anzahl der Laserelemente nicht begrenzt ist und nicht durch Defekte oder Temperaturschwankungen beeinträchtigt wird.


"Das topologische Prinzip dieses Lasers kann grundsätzlich für alle Wellenlängen und damit eine Reihe von Materialien funktionieren", erklärt der deutsche Projektleiter Prof. Sebastian Klembt von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, der im Rahmen des Exzellenzclusters ct.qmat an der Wechselwirkung zwischen Licht und Materie und topologischer Photonik forscht. "Wie viele Mikrolaser genau angeordnet und verschaltet werden müssen, hängt immer ganz von der möglichen Anwendung ab. Wir können die Größe des Lasernetzwerks im Prinzip sehr weit ausdehnen. Es ist toll zu sehen, dass die Topologie, ursprünglich ein Zweig der Mathematik, sich zu einem revolutionären neuen Werkzeugkasten für die Kontrolle, Steuerung und Verbesserung der Lasereigenschaften entwickelt hat."


Die Forschungsarbeiten haben zum ersten Mal gezeigt, dass es tatsächlich theoretisch und experimentell möglich ist, VCSEL-Laser zu kombinieren, um einen einzigen robusteren und hocheffizienten Laser zu erhalten. Damit ebnen die Ergebnisse der Studie den Weg für eine Reihe künftiger Technologien im Bereich medizinischer Geräte, Kommunikation und einer Vielzahl von Anwendungen in der Praxis.


Topologische Photonik – ein neues Forschungsfeld boomt
Vor einigen Jahren hat die Gruppe vom Technion unter der Leitung von Prof. Mordechai Segev ein neues Forschungsgebiet eröffnet, das heute als "Topologische Photonik" bekannt ist und an dem derzeit hunderte Arbeitsgruppen weltweit forschen.


"Es ist faszinierend zu sehen, wie sich die Wissenschaft weiterentwickelt", sagt Prof. Segev vom Technion. "Wir sind von grundlegenden physikalischen Konzepten zu grundlegenden Veränderungen gekommen und jetzt bei einer echten Technologie angelangt, die von Unternehmen verfolgt wird. Als wir 2015 begannen, an topologischen Lasern zu arbeiten, hat niemand geglaubt, dass das möglich ist. Topologische Laser standen also im Widerspruch zu allem, was damals bekannt war. Wir waren wie ein Haufen Verrückter, die nach etwas suchten, das als unmöglich galt. Und jetzt haben wir einen großen Schritt in Richtung einer echten Technologie gemacht, die viele Anwendungen hat".

 

Umstände und Beteiligte
Diese deutsch-israelische Arbeit von Forscher:innen des Exzellenzclusters ct.qmat ist vor allem während der Corona-Pandemie entstanden. Ohne das enorme Engagement der beteiligten Wissenschaftler:innen wäre dieser wissenschaftliche Meilenstein nicht möglich gewesen. Die Forschung wurde maßgeblich von dem Doktoranden Alex Dikopoltsev aus dem Team von Prof. Mordechai Segev vom Technion – Israel Institute of Technology und dem Doktoranden Tristan H. Harder aus dem Team von Prof. Sebastian Klembt und Prof. Sven Höfling von der Universität Würzburg und dem Exzellenzcluster ct.qmat in Zusammenarbeit mit Forschern aus Jena und Oldenburg durchgeführt.

 

Exzellenzcluster ct.qmat
Das Exzellenzcluster ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter (Komplexität und Topologie in Quantenmaterialien) wird seit 2019 gemeinsam von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und der TU Dresden getragen. Die Forschungsallianz ist eng verzahnt mit den Arbeitsgruppen von Prof. Alexander Szameit in Rostock, Prof. Moti Segev in Haifa/Israel und der Spitzenforschung von fünf großen außeruniversitären Instituten. Mehr als 270 Wissenschaftler:innen aus 33 Ländern und von vier Kontinenten erforschen in der Forschungsallianz ct.qmat topologische Quantenmaterialien, die unter extremen Bedingungen wie ultratiefen Temperaturen, hohem Druck oder starken Magnetfeldern überraschende Phänomene offenbaren. Das Exzellenzcluster wird im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert.

Daten & Fakten

24.09.2021

 

Publikation
Alex Dikopoltsev, Tristan H. Harder, Eran Lustig, Oleg A. Egorov, Johannes Beierlein, Adriana Wolf, Yaakov Lumer, Monika Emmerling, Christian Schneider, Sven Höfling, Mordechai Segev, Sebastian Klembt, Topological insulator vertical-cavity laser array, Science 373, 1514–1517 (2021) - 24 September 2021.

 

Bild
Illustration eines topologischen Lasers, bestehend aus 30 gekoppelten vertikalen Lasern. Alle Mikrolaser entlang einer topologischen Grenzfläche (blau) verhalten sich wie ein Laser und strahlen gemeinsam kohärentes Laserlicht aus (rot).
© Pixelwg, Christian Kroneck


Kontakt
Prof. Dr. Sebastian Klembt, Juniorprofessor am Lehrstuhl für Technische Physik, Universität Würzburg, Tel: +49 175 2485600, sebastian.klembt@physik.uni-wuerzburg.de

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